Alter Traum von der digitalen Schiefertafel

Hintergrund / Analyse von Rudi Kulzer

Technikseiten von Tageszeitungen wie IT-Fachmedien überschlugen sich schon seit Wochen mit spekulativen Vorankündigungen um Apples heute vorgestelltes neues Wundergerät – einen Tablet PC der neuesten Generation. Doch der Traum von der digitalen Schiefertafel ist uralt und war bisher eine Geschichte voller Flops.

Microsoft-Chef Ballmer glaubte der heutigen Ankündigung von Apple-Chef Steve Jobs zuvorkommen zu müssen, als er Anfang Januar am Vorabend der diesjährigen Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas wieder einmal eine Lanze für Tablet PCs brach. Das hat der Mitgründer von Microsoft, Bill Gates, schon 2001 auf der damals noch existierenden PC-Messe Comdex ebenfalls in Las Vegas versucht.

Ging es bei Gates Tablet PC noch um einen besonderen PC ohne Tastatur, um einen Bildschirm-PC mit elektronischer Stifteingabe, scheint es sich bei den Tabletts der CES 2010 eher um Konkurrenten von Amazons elektronischen Buchleser (eBook) „Kindle“ zu handeln. Diese Geräte gehören zur Gruppe digitaler Lesegeräte und nicht zu elektronischen Schreibgeräten.

Mobiles, digitales Lesen scheint die Hoffnung der Stunde zu sein, auf das Gerätehersteller, Softwarehäuser und die Verlage der Medienbranche gleichermaßen setzten. Der Stift oder Finger wird hier auf einem Berührbildschirm (touch screen) anstelle der Maus als Zeigegerät, aber kaum als Schreibgeräte benutzt.

????? Sollte Apple neues Wundergerät, wie vielfach kolportiert, „iSlate“ heißen, wäre diese der falsche Ausdruck. „Slate“ heißt im Englischen die Schiefertafel und ist somit ein gängiger Begriff für ein Schreibgerät. Der Feuilleton der Süddeutschen Zeitung vom 26.1.2010 über die Geschichte der Schiefertafel schreibt zwar in einer Zwischenüberschrift: „ Die Schiefertafel funktioniert wie ein Arbeitsspeicher, dann man immer neu überschreiben kann“, doch dann ist die Tafel immer noch ein Eingabespeicher, und kein Lesegerät eines externen Inhaltsspeicher.

Zwiti: Elektrischer Stift und Handschriftenerkennung

Die Idee eines elektrischen Stiftes und der maschinellen Erkennung von Handschriften tauchte erstmals bereits 1888 (!) auf. Erste Computer mit elektronischem Eingabestift  gab es schon einige Jahre vor den Tablet PCs. Sie hießen damals Pen Computer. Der Begriff Tablet PC selbst wurde wie erwähnt 2001 von Microsoft eingeführt.

Das erste Konzept zu einem tragbaren Computer mit intuitiver Benutzeroberfläche stammte von Alan Kay aus dem Labor Xerox PARC in Palo Alto. In entsprechenden Arbeiten der 70er Jahre war hier von einem Dynabook die Rede. Einer der ersten echten Computer mit Stifteingabe war der 1993 vorgestellte Newton von Apple. Das DIN A5 große Gerät war wegen seiner Größe (als PC zu klein, für die Hemdentasche zu groß) und noch zu schwachen Prozessorleistung als Personal Computer ein Flop, aber doch ein wichtiger Vorläufer der heutigen PDAs (Personal Digital Assistent).

Zwischen 1992 und 1994 präsentierten gleich mehrere namhafte Hersteller wie etwa Fujitsu, IBM und NCR Pen Computer, die entweder unter „Windows for Pen Computers“ von Microsoft oder „PenPoint“ der GO Corporation liefen. Pioniere von Pen-PCs waren GRiD und die GO Corporation, Unternehmen, die heute nur noch IT-Historiker kennen. 1995 nahmen alle Hersteller ihre penbasierten Produkte für Endverbraucher vom Markt. Als Eingabegeräte der Industrie (BDE – Betriebs Daten Erfassung) spielen sie jedoch bis heute eine wichtige, wenn auch wenig beachtete Rolle.

Microsoft dagegen glaubte weiter an stiftbedienten Computern, wie Bill Gates auf der Comdex 2001 demonstrierte und 2002 für die Tablet PC-Erweiterung des Betriebssystems Windows XP veranlasste. Seither sind eine Vielzahl von Endgeräten, unter anderem von Dell, Fujitsu-Siemens, Hewlett-Packard, Lenovo und Toshiba erhältlich. Die Nachfrage scheint aber nicht besonders hoch zu sein. Anbieter wie Acer haben sich daher 2007 bereits wieder aus dem Geschäft mit Tablet PCs zurückgezogen.

???? Ob es Apple mit seinem neuen, multimedialen Lesegerät wieder, wie schon beim iPhone, gelingt, Zeichen zu setzen, bleibt fraglich. Das ist vielleicht eher eine Generationen- und keine reine Preisfrage.

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